Sonntag, 27. November 2016

Die Momente danach

"We spent some time
Together walking
Spent some time just talking
About who we were"
The Perishers



So in etwa verbringe ich meine freien Stunden, ob mit Caterina an den meisten Tagen, oder mit Henryk und besonders mit Linus an unserem freien Tag.
Man hört ja oft, dass Jugendliche durch den Freiwilligendienst erstaunlich reflektierend werden... Das stimmt sogar.. Also es ist eigentlich notwendig, da man wahrscheinlich irgendwann feststecken würde und nicht mehr weiterwüsste.

Für meinen weltwärts-Dienst muss ich alle drei Monate einen Zwischenbericht schreiben und dabei unteranderem einen normalen Tagesablauf schildern. Da stellt sich mir die Frage, wie ich das machen soll. Gerade gehen wir selten in die Schulen, da in Indien gerade die Examenphase angefangen hat. Ab dem 15. Dezember machen wir ein Holidaycamp für die Kinder, in der Ankündigung stehen zwar Zeiten, aber wann die Kinder dann auftauchen, ist dann auch wieder eine Frage. Zum Beispiel heute hätten wir schon mindestens 3-4 Klassen gehabt, bisher ist aber noch niemand aufgetaucht.... Gerade macht es mir nichts aus, da ich mich mit anderen Sachen beschäftigen kann, aber manchmal wünscht man sich doch wenigstens zwei, drei Kinder her.... An anderen Tagen werden wir schier überrannt und ich komme eher weniger dazu mich in das Bengalilernen zu vertiefen, als mir lieb ist. 
Man muss sich hier sehr schnell auf sehr vieles einstellen können. 

Auch darauf, dass die Organisation fünf Tage bevor sie ein großes Meeting in Kolkata halten will, anfängt, dies zu planen. Dann müssen alle mithelfen, nebenbei läuft aber noch ein anderes Programm und am Samstag kommen noch einige Mitarbeiter von einem Ableger NOSKKs hier her, um zu irgendeinem Thema sich weiterzubilden... Nichtsdestotrotz waren zwei Besuche angekündigt, die sich auf eine ganz faszinierende Art und Weise zwischen die laufende Weiterbildung, Essen und eine sehr beeindruckende Tanzchoreo geschoben haben.
Dass das alles dann doch ziemlich gut zusammen und aufeinmal klappt, finde ich ziemlich beeindruckend...
Und wenn wir eine Inderin kennenlernen, die ihre Arbeit so beschreibt: "Well, first I raised my son, like all indians do and now I work with NGOs...", dann weiß ich persönlich, dass es sich lohnt auch langweilige Tage auszuhalten. Da ihr Sohn europäisches Essen sehr sehr gerne mag, kann sie wohl Sachen wie Pizza und Pasta ziemlich gut kochen und hat uns gleich eingeladen. Dann würde sie etwas für uns kochen. Aber bitte an einem Wochentag, da sie Sonntage nicht so gerne hat, da dann ihr Mann zuhause ist....;)

Man trifft immer wieder unglaubliche Menschen und hat wunderbare Begegnungen. 
Trotz schon fast drei Monaten in der Nähe von Kolkata und ausgiebiger Erkundungstouren dieser Stadt, findet man immer wieder Orte, die einen zweifeln lassen, wo man sich gerade auf der Welt befindet. Man fühlt sich manchmal wie um 100 Jahre zurück versetzt, oder aber zum heutigen Zeitpunkt, der Ort könnte sich aber genauso gut in einem anderen Erdteil befinden.

Und sowas finde ich toll... Trotz einer Zeitspanne von drei Monaten, die ich nun schon hier bin, kann ich oftmals was Neues entdecken und mich in neue kleine oder große Sachen verlieben.

Die Arbeit ist manchmal sehr spannend, meine Malklassen starten gerade mal mehr mal weniger und es ist ziemlich spannend zu beobachten, wie und vorallem was die Kinder malen. Dabei ist aber immer wieder deutlich zu sehen, dass sie teilweise nur selten die Gelegenheit haben zu malen und wenn doch, dass sie oftmals irgendetwas abmalen.... Beim letzten Mal habe ich ihnen gesagt, dass sie bitte ihr Dorf oder ihr Haus malen und das hat auf eine ganz süße Art und Weise geklappt. Die Sache mit den Stiften ist etwas nervig manchmal, da sie meistens denken, dass der Malkasten, den ich vor die einzelnen Kinder gestellt habe, ihnen für die Malstunde gehört und man nicht einfach mal sich einen Stift bei seinem Nachbarn ausleihen kann, aber wir haben ja noch ein paar Stunden um das zu üben:)

Das, was wir bisher erreicht haben, ist manchmal schon etwas... Und wir freuen uns, dass Caterinas Mutter zeigen zu können, die in 4 Tagen kommt. Wir planen einen kleinen Deutschlandabend, um unseren Mitarbeitern ein bisschen etwas von unserer Heimat zu zeigen und auch um die kommende Adventszeit zu erklären. Die für mich, glaube ich, manchmal ganz schön komisch wird... Aber mit Plänen für Weihnachten , die unteranderem Lasagnebacken beinhalten, lässt es sich hoffentlich ganz gut ertragen;)

Anstelle eines Adventskalenders mit Süßem, habe ich vor, jeden Tag ein Bild zu posten, von den letzten Wochen hier oder auch vom selbigen Tag. Um euch, dort draußen, ein bisschen bildlicher mitzunehmen. Und vielleicht schafft es ja einer von euch, jeden Tag das neue Bild zu sehen:)
Ich hoffe selbst, dass ich dran denke und freue mich den folgenden Monat.

The Road Not Taken

Two roads diverged in a yellow wood,
And sorry I could not travel both
And be one traveler, long I stood
And looked down one as far as I could
To where it bent in the undergrowth;

Then took the other, as just as fair
And having perhaps the better claim,
Because it was grassy and wanted wear;
Though as for that the passing there
Had worn them really about the same,


And both that morning equally lay
In leaves no step had trodden black.
Oh, I kept the first for another day!
Yet knowing how way leads on to way,
I doubted if I should ever come back.


I shall be telling this with a sigh
Somewhere ages and ages hence:
Two roads diverged in a wood, and I —
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.

Robert Frost

Donnerstag, 17. November 2016

17 Stunden hin, 27 1/2 Stunden zurück

Ja, so ungefähr sah unsere Reise im Groben nach New Delhi aus.
Als die Reise überhaupt erst richtig fest stand, also Montag mittag, wir Dienstag Nachmittag losfahren würden, um Mittwoch morgen dann in Delhi zu sein, hatten wir erneut einige Euphorieschübe und auch wieder Enttäuschungen erlebt. Anfangs war der Plan, das wir Montag losfahren würden, um pünktlich zum Meeting Beginn in Delhi zu sein, aber nach langem Hin und Her und ewiger Herumtelefoniererei seitens unserer Organisation und ständigem Umdenken von uns, stand fest, dass wir erst gegen Mittwoch in Delhi sein können. Aufgrund von Ticketmangel etc. etc.
Aber unsere Reise begann in einem ziemlich komfortablen Zug, der uns in nur 17 Stunden an unser Ziel bringen sollte: Rajdhani Express

Mit sehr gutem und vor allem viel Essen, alles einzeln verpackt, sowie bereitgestellten Laken und Decken reisten wir Richtung Delhi. Manchmal habe ich mich nicht mehr wirklich wie in Indien gefühlt, eher wie in irgendeinem Zug in Europa, aber die vorbeiziehende Landschaft war dann doch sehr indisch;)

Das Meeting selbst war dann ziemlich interessant, nicht unbedingt weil ich alles verstanden habe (Sprachbarriere), aber vor allem aufgrund der Menschen, die man dort kennengelernt hat. Neben vielen Menschen, die ebenfalls in der einen oder anderen NGO tätig sind, haben wir, gut eigentlich erst nach dem Meeting, eine Inderin kennengelernt, die sich gegen verschiedene Dinge stellt und oftmals mit politischen Auftritten gegen z.B. Kriege ausspricht.
Die Arbeit, die diese Frau leistet ist unglaublich! Es lohnt sich daher sehr, sich ein bisschen über sie und ihre Organisation zu belesen;)
Wir hätten sie auch fast gar nicht kennengelernt, aber da sie aufgrund von Problemen mit dem Bezahlen ihres Fluges nach Mumbai, erst zwei Tage später geflogen ist, haben wir uns bei einem nächtlichen Chai kennenlernen können.
Ihre Geldprobleme sind dabei nicht auf zu wenig Geld zurückzuführen oder so, sondern nur auf die schlichte Tatsache, dass der indische Premier Modi von heute auf morgen beschlossen hat, die 500 und 1000 Rupienscheine ungültig werden zu lassen. Er will damit gegen die Massen an Falschgeld vorgehen, die im Umlauf sind, verschlechtert aber eigentlich nur die Lebenslage seiner Landsmänner. 
Dieser Artikel trifft die Lage ganz gut, aber um es noch einmal hervorzuheben, für die, die ein Bankkonto haben, stellt die Situation gerade eigentlich nur ein Problem dar und zwar, wie man/sie an Bargeld kommen. Denn die ATMs sind überlastet.
Aber diejenigen, die kein Bankkonto haben, also die vorwiegend der unteren Schicht Indiens, müssen zusehen, dass ihre Ersparnisse nicht im Sand zerfließen.
Auch wir haben das Problem nicht so ganz realisiert und hatten zwischendurch zwar Glück, dass wir bei der einen oder anderen Sehenswürdigkeit mit den alten 500er Scheinen bezahlen konnten, aber das knappe Kleingeld für die Totos brauchten... So standen wir dann irgendwann am Bahnhof von Neu Delhi, mit einem letzten 500 Rupienschein und keinem Essen. naiv wie wir waren, sind wir irgendwie davon ausgegangen, auch in diesem Zug wieder Essen zu bekommen. Dem war aber nicht so, da wir in einem ganz normalen Sleepertrain gefahren sind.

Nachdem wir unsere Plätze verteidigt haben, mit einer kleinen Verwechslung zwischendurch, aber auch mit Hilfe von den Mitreisenden, die Englisch konnten, ging die Fahrt los. Mit 22 Halten an Bahnhöfen und einigen irgendwo in der Pampa, saßen wir ein bisschen verloren zwischen all denen, die ihr eigenes Essen mitbrachten und es verspeisten.
Nachdem wir die Menschen, die unter anderem Essen im Zug verkauft haben fragten, ob sie auch die alten Scheine annehmen würden, diese aber verneinten, bemerkten einige engagierte Inder neben uns, dass wir nichts zu essen hatten. Erst bekamen wir eine Portion Chicken Biriyani, also super lecker zubereiteten Reis und dann ein bisschen Kuchen und Schokomilch.
Und das war einfach unglaublich süß! Und lieb und toll... Sie haben sogar probiert, den 500 Rupienschein zu tauschen, hatten aber sozusagen nicht genug Kleingeld dabei. Obwohl wir uns in keiner Weise für die Mühen richtig bedanken konnten, außer mit einem herzlichen Danke, haben sie es irgendwie fertig gebracht, unseren Geldschein doch tauschen zu können. Dadurch hatte sich unser Geldproblem erstmal gelöst.
Für solche Menschen bin ich dankbar, die teilen, ohne selbst etwas davon zu haben. Für mich ist das eine Eigenschaft, die ich zu tiefst bewundere und mir auch gerne selbst zulegen würde.

Die Fahrt selbst hat sich dann irgendwann ziemlich in die Länge gezogen, aber Caterina und ich haben beide unsere Bücher fertig lesen können und werden nun wohl immer aufpassen, mit Essen und Geld in Langstreckenzüge einzusteigen;)

Nach 3 1/2 Stunden Verspätung erreichten wir endlich Howrah und saßen auch schon bald im Zug nach Bauria. Sofort war bei mir dieses Gefül von Vertrautheit und Heimat wieder da und kaum hatten wir Bauria Station verlassen, überholte uns ein Motorrad und Caterinas Name wurde gerufen. Also ja, wir/ich sind wieder zuhause angekommen und unglaublich froh darüber, dort zu wohnen. Denn es sind unsere Mitmenschen geworden, die Totofahrer fragen, ob wir mit dem Fahrrad da sind oder gefahren werden müssen und die kleinen Kinder rufen unsere Namen...

Montag, 14. November 2016

Quest Mall

Heute waren wir in Kolkata, um einem Health Training beizuwohnen, das mit einer Drawing Competition verbunden war. NOSKK hat verschiedene Ableger der Organisation in West Bengal verteilt, ein Teil hat seinen Sitz zum Beispiel in einem ärmeren Viertel, Kasia Baigan genannt, hinter der Quest Mall.
Die Quest Mall ist eine Mall, wie man sie wahrscheinlich aus den amerikanischen Filmen kennt, allerdings eine ziemlich teure, schicke Mall. Demnach gehören auch die Kunden eher zu der oberen Schicht von Kolkatas Bevölkerung.
Die Drawing Competition findet in dieser Mall statt. Wir dachten, in einem der Stockwerke, vielleicht einfach zwischen den Geschäften und dachten uns auch erstmal nichts, als sich die Kinder in einer Reihe aufstellen sollten und einem Mitarbeiter der Mall durch die verschiedenen Stockwerke folgen sollten. Ich dachte, dass die Competition einfach oben, im Stockwerk der Essmeile stattfindet, aber falsch gedacht.
Die Kinder, die sich wahrscheinlich nie eine Sache in dieser Mall kaufen können oder werden, durften brav, immer schön geordnet, von Security begleitet einmal durch die Mall laufen. Dabei wurden sie natürlich von den meisten dort Arbeitenden gesehen und von den Kunden belächelt und bewunken. Für mich ein schrecklicher Moment.
Als wäre ein "Mallbesuch" alles, was sich ein Kind wünscht. Wir haben gefragt, warum sie das machen und die Mitarbeiter meinten, die Kinder wollten unbedingt die Mall einmal sehen. Natürlich verstehe ich die Faszination einer solchen Mall, aber muss man eine ruhige Kindergruppe dann von Security bewacht durch die Mall eskortieren? Wie auf dem Präsentierteller?
Eigentlich nicht oder? Oder liege ich da mit meiner Wahrnehmung ganz falsch?
Nun sitzen die Kinder im Basement der Mall, wo sonst theoretisch Autos parken und haben ganz großzügig von dem Chef der Mall Malutensilien im Wert von 120R Rupien, also noch nicht mal 2€ bekommen. Und das in einer Mall, in der man bei Chanel, Lacoste, sowie Breitling und anderen Luxusmarken einkaufen kann!
Dabei wird alles dokumentiert, um es dann später auf die Facebookseite zu stellen.
Ich weiß, dass es eigentlich gut ist und das die Mall überhaupt so etwas anbietet, aber in meinen Augen ist es doch ein bisschen unverschämt....
Kann natürlich auch einfach sein, dass ich vielleicht ein bisschen überreagiere, aber das waren meine Gefühle und Gedanken am gestrigen Tag...

Samstag, 5. November 2016

Höhen und Tiefen

In jedem Leben gibt es sie, die Höhen und Tiefen. 
Mal mehr, mal weniger ausgeprägt, teilweise nur sehr flüchtig, oft aber auch langanhaltend. 
Bei mir sind es gerade die Tiefen, die langanhaltend sind, mit kleinen Höhen, aber auch immer wieder einem tiefen, langen Fall.
Woran das liegt?
Zum einen, wie schon angesprochen an der wenigen Arbeit, die wir hier haben und auch an der Tatsache, dass unsere Organisation es manchmal scheinbar nicht so wirklich interessiert, ob wir was machen oder nur rumsitzen.
Zu dem kommt noch hinzu, dass meine Organisation ja in einer sehr muslimischen Gegend ist, wo 95% Muslime leben. Wer sich einmal mit den Heirats- und Scheidungsregeln im Koran auseinandergesetzt hat, ist vielleicht schon einmal über die Wörter "Triple Talaq" gestolpert. Wer davon noch nie gehört hat, kann sich vielleicht meine Verwunderung vorstellen, die das Thema mit sich bringt.
"Triple Talaq" bedeutet, dass ein Mann dreimal "talaq" sagen kann und so, ohne weiteres, von seiner Frau getrennt ist. Die Worte kann er in ihrem Beisein sagen, aber auch per SMS schreiben und sogar in ihrer Abwesenheit, trotzdem aber in Gegenwart von Zeugen, sagen. Somit ist die Frau von ihrem Mann getrennt, einfach so, was meistens zu erheblichen Problemen für die Frau führt. Die meisten müssen von heute auf morgen anfangen zu arbeiten und haben ja auch meistens alle noch Kinder zu versorgen.

Unsere Organisation möchte diese Regelung außer Kraft setzten, wobei ich erwähnen sollte, dass Triple Talaq schon seit längerem in der Diskussion steht. Nun hat sich die Lage etwas sehr zugespitzt, da eine andere Organisation, der unsere Organisation mitangehört, ein Statement abgegeben hat, welches eher danach klingt, dass sie komplett den Islam abschaffen wollen. Unsere Organisation hat nun damit zu kämpfen, alles richtig zu stellen, da besonders die Arbeit, die in der umliegenden Gegend geschieht, unter den Folgen des Konflikts leidet.
Unsere Mitarbeiter haben ja so schon ziemlich viel Angst um uns und meinten, dass wir in den nächsten Wochen abends nicht mehr unterwegs sein sollten.
Ich dachte mir nur, was soll das? Und vor allem, wie soll das denn weitergehen? Sollen wir unsere sowieso schon eingeschränkte Freiheit bei jedem Problem, was irgendwer mit unserer Organisation hat, noch weiter einschränken? Dann könnte man uns auch gleich einsperren...

Zumal man sich vorstellen muss, dass ich nach dem Arbeiten in der Teestube meistens irgendwann zwischen 0 Uhr und 7 Uhr morgens alleine durch Weimar gen Zuhause geradelt bin, eine unmögliche Vorstellung für die hier Lebenden.
Gerade Caterina und ich sind es gewohnt, abends und nachts die Möglichkeit gehabt zu haben, alleine unterwegs zu sein, ohne das uns was passiert, oder das wir irgendwas fürchten mussten.

Danach gab es Momente, wo ich mir ernsthaft Gedanken darüber gemacht habe, ob ich hier bleiben will und was sich verändern muss, damit ich hier weiter leben kann.
Es macht nun mal keinen Sinn, sich ein Jahr lang zu verstellen, zumal es ein beidseitiger Kulturaustausch sein sollte und nicht eine komplette Lebensanpassung unsererseits. Natürlich ist uns klar, dass es hier komisch ist, wenn Mädchen/junge Frauen alleine in der Dunkelheit unterwegs sind, aber erstens wird es hier gerade vor 18 Uhr abends dunkel und zweitens kennen sich hier eigentlich alle irgendwie und deshalb ist es eher unvorstellbar, dass uns irgendwas passiert.

Man wünscht sich in solchen Momenten einfach, ein Junge zu sein, da ich/wir wissen, was für Möglichkeiten die Jungs hier haben und was sie einfach alles machen können.

Glücklicherweise habe ich ja hier noch Caterina, mit der man wunderbar über alles sprechen kann und auch Linus und Henryk, die zwar in Tikiapara, Howrah leben, die zwar nicht die gleichen Probleme haben wie wir, einfach da sie Jungs sind, aber ebenfalls mit Problemen konfrontiert werden, über die man sich austauschen kann und gemeinsam eine Lösung finden kann. Oder einfach nur seelische und moralische Unterstützung bei den beiden findet.

Ich hatte das mit dem Kulturaustausch ja bereits ein bisschen angesprochen, der teilweise sehr einseitig passiert. Natürlich nehmen wir mehr von der indischen Kultur mit, da wir uns ja für ein freiwilliges Jahr entschieden haben. Allerdings hatte ich in letzter Zeit das Gefühl, dass die Einseitigkeit noch mehr hervorgetreten ist. Es ist einfach irgendwie komisch, wenn einem ständig gesagt wird, wie schön man doch in indischer Kleidung aussieht und dann auch, wie indisch man ist. Und das finde ich schade... Natürlich finde ich die indische Kleidung echt schön und teilweise auch sehr praktisch, aber unsere "deutsche" Kleidung ist jetzt auch nicht super häßlich oder so. 
Und ja, wir sind nun mal Deutsche und genießen es auch mal, nur in Tshirt und weiter Hose rumzulaufen, anstelle von einem kompletten Salmar Kamez.

Aber gut... Die Unterschiede mit der Hochzeit in Deutschland im Vergleich zu Indien, sowie mit dem Kinder bekommen, haben wir schon recht häufig erklärt, inwieweit die Mitarbeiterinnen es hier verstanden haben, wissen wir nicht genau, aber sie probieren es, auch wenn es für sie schwierig sein muss. Die meisten Menschen, besonders auf dem Land, heiraten nach wie vor eine Person, die ihre Eltern ausgesucht haben, manche lernen sich vor der Hochzeit noch kennen, andere gar nicht. Das ist wiederum für mich komisch und ich persönlich würde es nicht so ganz wollen.
Mit einer Mitarbeiterin, die im Januar heiraten wird, haben wir uns darüber unterhalten, sie scheint allerdings nicht so glücklich darüber zu sein. Daran können wir zwar nichts ändern, aber für mich ist es schön, dass sie uns das erzählt hat. Die anderen sagen alle, dass sie glücklich sind und/oder sich daran gewöhnt haben. Aber gut, es ist, wie es ist....

Ich persönlich wünsche mir mal wieder eine Zeit, die schön ist und wo vor allem die tiefsten Tiefs nicht mehr dabei sind. Auf der einen Seite bin ich zwar ein sehr, sehr positiver Mensch, aber "hasse" mich manchmal meiner positiven Gedanken wegen. Und verliere auch teilweise meine positive Grundeinstellung dem Leben gegenüber... Und das darf einfach nicht passieren!
Zumal es echt deprimierend ist, wenn man sich die ganze Zeit fragt, was man hier macht, von den Orten träumt, wo man sein könnte und das gesamte Leben und vorallem das Jahr an sich in Frage stellt.

Wahrscheinlich sollte ich mir wirklich ein eigenes Motorrad zulegen, um die Möglichkeit zu haben, einfach rauszukommen und allem ein bisschen zu entfliehen.
Ob ich dann anstelle mit dem Flugzeug mit dem Motorrad Richtung Deutschland fahren werde, weiß ich noch nicht, der Sicherheit und der Länder wegen, durch die ich/wir müssten und die es einem einreisenden Motorrad nicht gerade einfach machen. Aber zuerst wird Caterina und Linus das Motorradfahren beigebracht, Scootyfahren kann Caterina schon. 

Und zu allererst geht es zu einem Meeting mit dem Zug nach Neu Delhi:)
Wovon ich dann am Ende der Woche berichten werde:)